Es ist ja nicht so, als hätte man in Deutschland die restsüßen Rieslinge, für die das Land so bekannt ist, ganz bewusst erfunden. Die sogenannten Prädikatsweine, die sich nicht über ihre Herkunft, sondern über das Mostgewicht der Trauben vor der Lese definieren, sind tatsächlich ein Zufallsprodukt. Zumindest eine Prädikatsstufe. Nämlich die Spätlese. Um deren Entdeckung rankt sich eine zauberhafte Legende, die sich im Jahr 1775 im Schloss Johannisberg im Rheingau abgespielt haben soll. Hier finden wir die Wiege der Spätlese. Aber für die Geschichte müssen wir tatsächlich ein wenig früher ansetzen. Deswegen reisen wir mal ins Jahr 1716.
Damals war Riesling in Deutschland noch längst nicht so bekannt und etabliert wie heute. Mal ganz davon abgesehen, dass die meisten Weingärten nicht nur mit einer einzigen, sondern mit ganz vielen unterschiedlichen Rebsorten bestockt waren, die kreuz und quer durcheinander im sogenannten gemischten Satz gediehen. Das war auch auf Schloss Johannisberg der Fall, als es 1716 samt seiner Rebflächen vom Hochstift Fulda gekauft wurde, um daraus ein Kloster für Benediktinermönche zu machen.