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Pinot Noir und Chardonnay in den Vereinigten Staaten

Pinot Noir und Chardonnay in den Vereinigten Staaten

Hätten die Vereinigten Staaten einen Facebook-Account und wären in einer Beziehung mit den beiden Rebsorten Pinot Noir und Chardonnay, dann hätte vor einiger Zeit eben jener Beziehungsstatus noch „es ist kompliziert“ geheißen. Denn das Land verbindet mit beiden Rebsorten eine Art Hassliebe, die jeweils zu einer krassen On-Off-Beziehung führte.

Doch zum Glück hat die Liebesgeschichte zwischen den Vereinigten Staaten und Pinot Noir sowie Chardonnay so etwas wie ein Happy End. Schauen wir uns einfach mal die Geschichte dieser komplizierten Liebe etwas genauer an. Denn diese ist höchst spannend! Schauplätze sind Kalifornien und Oregon, die Kulissen zwei Blindverkostungen. Außerdem klären wir auch noch, was zwei Filme und das ABC mit dieser speziellen Lovestory zu tun haben. Los geht’s.

Sideways und der Aufschwung des Pinot Noir

Sideways und der Aufschwung des Pinot Noir

Wie ein Roadmovie in den Vereinigten Staaten einen Pinot-Noir-Hype auslöste

Wenn es um Pinot Noir aus den Vereinigten Staaten geht, könnte man meinen, dass die Liebesgeschichte erst im Jahr 2004 begann. Nämlich mit dem Roadmovie „Sideways“. Der Film selbst war einer der großen Überraschungserfolge des Jahres. Die Story rund um den erfolglosen Schriftsteller Miles, der mit seinem Studienkumpel einen Trip durch die Weingüter im kalifornischen Santa Barbara County macht, ist inzwischen legendär.

Miles, der Merlot-Verachter und Pinot-Noir-Anbeter, begeisterte die Kinogänger. Und löste einen echten Pinot-Noir-Boom in den Vereinigten Staaten aus. Während die Verkäufe für Merlot ins bodenlose fielen, wollten die Amerikaner plötzlich alle gerne die Diva aller Rebsorten im Glas haben. Und das natürlich aus Kalifornien. Dem Schauplatz des Films. Genau das war der sogenannte „Sideways-Effekt“, der inzwischen sogar wissenschaftlich belegt ist.

Pinot Noir in den Vereinigten Staaten: Wie eigentlich alles begann

Doch die eigentliche Lovestory der Vereinigten Staaten mit Pinot Noir begann schon viel früher als 2004. Und auch nicht in Kalifornien. Denn bereits seit Ende der 1960er-Jahre ist Pinot Noir der große Star im nördlich benachbarten Bundesstaat Oregon. Hier halten sich im gemäßigten Klima mediterrane und kontinentale Einflüsse die Waage. Vor allem im Willamette Valley, das bis heute als das große Pinot-Noir-Epizentrum in den Vereinigten Staaten gilt. Bereits damals brachte Oregon feingliedrige und elegante Gewächse hervor, die den Vergleich mit dem Burgund nicht scheuen mussten. Das bewies nicht zuletzt eine Blindprobe, die 1975 in Paris stattfand. Und nein, dabei handelte es sich nicht um das legendäre „Judgement of Paris“. Das fand erst 1976 statt – und wird hier später noch eine Rolle spielen.

Tatsächlich ist die Blindprobe von 1975 in den Annalen der Weinwelt fast untergegangen. Weil eben kein Paukenschlag erfolgte. Damals verkostete eine Jury blind Pinot-Noir-Gewächse aus Oregon und dem Burgund. Den ersten Platz belegte ein Pinot Noir von Burgund-Legende Robert Drouhin. Doch der zweite Platz ging nach Oregon! Die französische Ehre war gerettet. Aber auch die Neugier geweckt. Drouhin jedenfalls ließ der Pinot Noir aus den Vereinigten Staaten nicht mehr los. Er bereiste Oregon, besuchte 1985 die erste Ausgabe des Festivals „International Pinot Noir Celebration“, auf dem drei Tage lang Pinot Noirs aus aller Welt gefeiert werden, und gründete dort 1988 mit der Domain Drouhin sogar sein zweites Weingut. Einfach so. Ganz ohne Paukenschlag

 

 

Judgement of Paris: Chardonnay Superstar

Judgement of Paris: Chardonnay Superstar

Aber genau das war letztlich das Problem von Pinot Noir in den Vereinigten Staaten. Ohne Paukenschlag gab’s keine Aufmerksamkeit. Zumal in den 1980er-Jahren alle Welt auch eher nach Kalifornien blickte denn nach Oregon. Schuld daran war der Chardonnay. Womit wir jetzt endlich beim legendären „Judgement of Paris“ wären. Also jener von Steven Spurrier organisierten Blindverkostung, in der Alte und Neue Welt gegeneinander antraten. Namentlich Chardonnay aus dem Burgund und Kalifornien sowie Cabernet Sauvignon aus Bordeaux und Kalifornien.

Zunächst tat man die Blindverkostung als verlorene Liebesmüh ab. Schließlich war allen anwesenden klar, dass Frankreich den Vereinigten Staaten in beiden Fällen haushoch überlegen ist. Doch dann der Paukenschlag. Auf dem ersten Platz landete jeweils ein Gewächs aus Kalifornien! Vor allem der Chardonnay 1973 von Chateau Montelena löste nach seinem Sieg einen regelrechten Hype um die Rebsorte aus. Und das aus gutem Grund. Denn Önologe Mike Grgich ließ den Chardonnay acht Monate in gebrauchten Barriques reifen. Fun Fact: Grgich hätte gerne neue Barriques verwendet, hatte aber keine mehr frei. Was nicht viel ausmachte. Denn sein buttrig-cremiger und doch eleganter Chardonnay sorgte auch so für Furore.

Kometenhafter Chardonnay-Aufstieg in den Vereinigten Staaten

Solch einen Stil kannte man vorher in den Vereinigten Staaten nicht. Höchstens aus dem Burgund. Doch Burgund wurde damals in der Neuen Welt so gut wie gar nicht getrunken. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich der Chardonnay-Stil von Chateau Montelena in Kalifornien. Immer mehr Weingüter bauten ihren Chardonnay in Holz aus. Und aufgrund der gigantischen Nachfrage kam es zu zahlreichen Neupflanzungen. Nämlich von knapp 10.000 auf 23.000 Hektar im Jahr 1990. Inzwischen sind es sogar 41.000 Hektar! Damit gilt Chardonnay mit Fug und Recht als kalifornischer Überflieger schlechthin.

Doch wo viel Licht ist, ist eben auch viel Schatten. Ende der 1980er-Jahre erreichte der extrem holzbetonte Chardonnay seinen Höhepunkt – und verkam zur Massenware. Immer mehr Kellereien setzten Holzchips ein, um den Geschmack hinzubekommen. Billigproduktionen mit restsüßen, karamellig-klebrigen Chardonnay-Weinen überschwemmten den Markt. Und führten zu einer Gegenbewegung: ABC. Und nein, wir lernen jetzt nicht das Alphabet. Denn ABC steht für „Anything but Chardonnay“. Diese Parole war in den Restaurants der Vereinigten Staaten von den 1990er-Jahren an immer häufiger zu hören. Weinliebhaber und Experten wehrten sich gegen den aufgepumpten und plumpen Chardonnay-Stil. Sie wollten endlich wieder Feinheit und Eleganz im Glas!

Aufstrebender Stern: Pinot Noir

Genau das fand man zu diesem Zeitpunkt in Pinot Noir. Allerdings nicht die Gewächse aus Oregon. Die waren nach wie vor nur etwas für echte Kenner und Liebhaber. Die Weinwelt an sich blickte aber auch hier gen Kalifornien. Hier hatte es 1947 ja schon der legendäre Önologe André Tchelistcheff geschafft, aus seinem Beaulieu Vineyard einen Pinot Noir zu zaubern, der einen Vergleich mit feinsten Gewächsen aus dem Burgund nicht zu scheuen brauchte.

Doch bis in die 1970er-Jahre hinein waren solche eleganten Pinot Noirs aus Kalifornien tatsächlich eher eine Seltenheit. Denn man pflanzte die Rebsorte an warmen Plätzen direkt neben Cabernet Sauvignon oder Zinfandel. Letztere mögen Wärme und Sonne lieben. Pinot Noir indes nicht. Sie braucht es gemäßigt, um ihre wahre Pracht zu entfalten.

Wie Pinot Noir an die Küste und an Flüsse kam

Schon Tchelistcheff stellte fest: „Gott schuf Cabernet Sauvignon, der Teufel Pinot Noir.“ Wobei Tchelistcheff die berühmte Rebsorte damit nicht verteufelt wissen wollte. Nur eben den Umgang mit der Diva aller Trauben im Weingarten. Pinot Noir mag es nicht zu kühl und nicht zu warm, nicht zu feucht und nicht zu trocken. Viel Ertrag führt zu dünnen Weinen, eine zu späte Lese zu pappig-süßen Gewächsen. Und vom Holzausbau will sie auch nicht zugekleistert werden, weil sie sonst wie ein Clown auf Zuckerdrogen schmeckt. Da kann man schon viel falsch machen.

Genau das fand bis in die 1970er-Jahre dann leider verstärkt in Kalifornien statt. Doch dann kam es zum Glück zu einem Umdenken. Beziehungsweise zu einem Ortswechsel. Denn die Winzer kapierten endlich, dass Pinot Noir an der Küste bessere Resultate hervorbringt als im Landesinneren. Plötzlich pflanzte man in Santa Barbara, Monterey und Mendocino Pinot Noir an. Auch in Sonoma fand die Rebsorte am Russian River ideale Bedingungen.

Ein Film rettet Pinot Noir in den Vereinigten Staaten

Ja, die Gewächse waren anfangs noch etwas üppig. Und gerade einen Pinot Noir vom Russian River erkennt man auch heute noch dank seiner dezenten Coca-Cola-Note direkt auf den ersten Schluck. Aber die Weine glänzen eben mit feiner denn mit aufgepumpter Frucht. Ein großer Vorteil für die Rebsorte. Nur eben leider nicht für die Amerikaner. Die opulenten und alkoholstarken Chardonnays hatten sie über – mit den feinen und schlankeren Pinot Noirs konnten sie dann aber auch nur bedingt etwas anfangen. Nach dem ersten Hype Anfang der 1990er-Jahre nahmen die Verkaufszahlen stetig ab.

Als im Jahr 2004 der Film „Sideways“ in die Kinos kam, führte Pinot Noir ein Nischendasein. Was sich dank Miles Ode an die Rebsorte dann aber schlagartig änderte. Gerade sein Loblied auf die Feinheit des Pinot Noirs ließ die amerikanischen Weinliebhaber noch einmal über ihren Geschmack nachdenken. Oder auch nicht. Jedenfalls wollte man in den Vereinigten Staaten jetzt unbedingt ganz viel feinen und eleganten Pinot Noir. Vorzugsweise aus Kalifornien. Hier wuchs die Rebfläche nach dem Film von 8.000 auf 11.000 Hektar an. Wobei sich auch schnell herumsprach, dass aus Oregon ebenso filigrane Gewächse stammen.

Pinot noir versus Chardonnay

Pinot noir versus Chardonnay

Pinot Noir und Chardonnay Seite an Seite: Nach „Sideways“ folgt „Bottle Shock“

Dort hatte man sich zwischenzeitlich nicht nur weiter auf Pinot Noir spezialisiert, sondern auch erkannt, dass sich Chardonnay hier prima macht. Selbige Entdeckungen machten auch die kalifornischen Winzer. Es hat halt einen Grund, warum Chardonnay und Pinot Noir die beiden großen Stars im französischen Burgund sind. Nach und nach tasteten sich deswegen auch die Winzer in den Vereinigten Staaten vor. Wo immer Pinot Noir hervorragende Qualitäten hervorbrachte, konnte auch Chardonnay erstrahlen. Andersherum funktionierte das natürlich auch.

Während man in Oregon die Einzellagen mit kalkreichem Boden für beide Rebsorten bevorzugt, sind es in Kalifornien nach wie vor die Nähe zur Küste oder die Täler an Flüssen. Denn hier sorgt Morgennebel für die nötige Abkühlung. „Sideways“ mag dazu geführt haben, dass vor allem Pinot Noir jetzt im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Aber auch Chardonnay fand wieder mehr Beachtung.

Dafür sorgte mit „Bottle Shock“ 2008 nicht zuletzt ein anderer Weinfilm, der die Geschichte des „Judgement of Paris“ nacherzählte – und der sich dabei sehr viele künstlerische Freiheiten nahm. „Bottle Shock“ war zwar kommerziell nicht ganz so erfolgreich und wie „Sideways“ und räumte auch nicht derart viele Filmpreise (zum Beispiel den Oscar für die beste Drehbuch-Adaption) ab, doch es reichte, damit die Amerikaner dem Chardonnay eine zweite Chance gaben.

Vereinigte Staaten: Happy End für eine komplizierte Liebesbeziehung

Und die nutzte die weiße Rebsorte! Dank der besseren Lagen und der Tatsache, dass hier nicht mehr so exzessiv mit Holz gearbeitet wurde, brillierte nun auch Chardonnay aus Oregon und Kalifornien bei den Weinliebhabern dieser Welt. Und zwar im Schulterschluss mit Pinot Noir. Wobei Chardonnay trotz der inzwischen zelebrierten Feinheit dank der gut 41.000 Hektar Rebfläche nach wie vor der große Verkaufsschlager ist. Hier gibt es immer noch viel Massenware. Doch eben auch sehr viele Spitzengewächse.

Pinot Noir kommt in den Vereinigten Staaten hingegen inzwischen gerade einmal auf 15.000 Hektar. Davon befinden sich allein 10.000 Hektar in Kalifornien, knapp 5.000 in Oregon. Kalifornien ist und bleibt also Platzhirsch. Auch bei den Spitzengewächsen, die Sie in unserem Sortiment finden. Wobei sich ein Blick nach Oregon allemal lohnt. Auch bei uns.

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