Prädikatsweine: Deutschlands süße Wein-Seite

Prädikatsweine: Deutschlands süße Wein-Seite

Sind wir doch mal ehrlich: Das deutsche Weingesetz ist für neugierige Weinliebhaber, die sich intensiver mit der vinophilen Thematik auseinandersetzen möchten, alles andere als ein Spaziergang. Das fängt schon beim Bezeichnungsdschungel an. Kabinett, Auslese und Spätlese – alles klangvolle Wörter. Doch was verbirgt sich dahinter? Was macht den Unterschied zwischen einem Qualitätswein und einem Prädikatswein aus?

Höchste Zeit, dass wir mal ein wenig Ordnung in diesen Begriffswust bringen!

Deutsche Weinqualitäten

Seit dem Jahr 2009 unterteilt man den deutschen Wein offiziell in drei Kategorien. Am Fuße der Hierarchie steht der Wein, der einst bis zum Jahre 2009 als schlichter Tafelwein bekannt war. Weder die Rebsorte, noch der Jahrgang oder die Region, aus der die Trauben stammen, findet man als Information auf dem Etikett. Die Bezeichnung "Deutscher Wein" genügt vollkommen.

Die zweite Stufe bildet der Landwein, der dann auch schon eine geschützte geografische Angabe (g.g.A.) hat. Der Rebensaft stammt folglich aus einer eindeutig festgelegten Weinbauregion. Jahrgangsangaben sind hier verpflichtend. Was dann folgt, ist der Qualitätswein. Dieser hat dann eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.). Was das bedeutet? Nun, die Trauben kommen aus einem fest definierten Weinanbaugebiet. Steht ein Ort auf dem Etikett, stammen die Weinbeeren nur von hier. Selbiges gilt dann auch für einen Lagenwein. Wichtig ist aber vor allem, dass das Gewächs erfolgreich die sogenannte Qualitätsweinprüfung durchlaufen hat. Sprich: Dass er fehlerfrei. Dann bekommt er eine Prüfungsnummer und darf als Qualitätswein auf den Markt kommen. Wie passen aber die Prädikatsweine in dieses System?

Auf das Mostgewicht kommt es an: Prädikatsweine

Gar nicht! Denn die Prädikatsweine stehen außerhalb dieses System auf einer Stufe mit den Qualitätsweinen. Der Unterschied: Prädikatsweine definieren sich über das Mostgewicht der Trauben kurz vor der Lese. Also wieviel Zucker in so einer Weinbeere steckt. Die Zuckerkonzentration wird in Grad Oechsle bestimmt. Der Name geht auf Christian Ferdinand Oechsle (1744 bis 1852) zurück, der dieses Verfahren entwickelte.

Bis zum Jahr 1971 gab es keine Unterscheidung zwischen Qualitäts- und Prädikatsweinen. Doch dann erfolgte eine Umgestaltung des deutschen Weinrechts. Zu jener Zeit wurden die Prädikatsweine gewissermaßen als die Krönung der Qualität obenauf platziert. Dann gliederte man die Prädikatsweine allerdings aus und entwickelte ein verbindliches und eigenständiges System für sie, das eben Grad Oechsle als Basis hat.

Prädikatsweine im Überblick

Die Qualitätspyramide der Prädikatsweine hat seitdem offiziell sechs Stufen. Von der Basis bis zur Spitze sind das:

  • Kabinett
  • Spätlese
  • Auslese
  • Beerenauslese (BA)
  • Eiswein
  • Trockenbeerenauslese (TBA)

Und dann wird es auch direkt schon kompliziert. Denn welche Trauben für welchen Prädikatswein zugelassen sind, regelt jede deutsche Weinregion individuell für sich. Selbiges gilt auch für die Ausbaustufen oder für den maximalen Alkoholgehalt. Was dann auch mit ein Grund ist, warum eine Riesling-Auslese von der Mosel ganz anders schmecken kann als aus der Pfalz. Gut, hier spielt das Terroir die entscheidende Rolle. Aber auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen haben einen gehörigen Einfluss. Trotzdem gibt es Vorgaben, die in jeder Weinregion identisch sind. Diese schauen wir uns jetzt einmal genauer an.

Prädikatswein-Basis: Kabinett

An der Basis der Prädikatsweine steht der Kabinett, den Kenner auch gerne einfach liebevoll Kabi nennen. Und eigentlich ist Basis hier auch nicht das richtige Wort, denn Kabis werden weltweit sehr geschätzt. Vor allem die Gewächse von der Mosel, die mit einem brillanten Süße-Säure-Spiel am Gaumen begeistern. Die Trauben für einen Kabinett müssen ein Mindestmostgewicht von 70 Grad Oechsle haben. Riesling ist die bevorzugte Rebsorte. Allerdings eignen sich auch Silvaner, Weiß- und Grauburgunder und viele andere Rebsorten ebenso.

Ein Kabinett muss nicht zwingend trocken ausgebaut werden. Auch in halbtrocken oder lieblich ist er sehr charmant. Hier überzeugen zudem die niedrigen Alkoholwerte von acht oder neun Volumenprozent, die aus einem halbtrocknen Kabi ein echtes Trinkvergnügen machen. Trocken ausgebaut kann ein Kabinett auch schon einmal 12 Volumenprozent Alkohol haben. Solche Gewächse sind übrigens sehr gute Speisenbegleiter zu den unterschiedlichsten Gerichten.

Klassiker: Spätlese

Das minimale Mostgewicht, das für eine Spätlese erforderlich ist, beläuft sich auf 76 Grad Oechsle. Wie die Bezeichnung bereits andeutet, erfolgt die Ernte der Trauben für diesen Prädikatswein zu einem späteren Zeitpunkt als der Hauptlese. Manche Beeren könnten bereits von Botrytis (Edelfäule) befallen sein, da es in dieser Phase des Herbstes oft zu morgendlichem Nebel kommt, während ab Mittag die Sonne auf die Reben scheint. Ideale Voraussetzungen für Botrytis!

Dank des Nebeneinanders von gesunden und Botrytis-Trauben in einer Spätlese, schmeckt sie noch intensiver und reifer als ein Kabinett. Außerdem haben diese Prädikatsweine mehr Körper und Alkohol. Für eine deutsche Spätlese ist Riesling die bevorzugte Traube, aber auch hier können viele andere Rebsorten zum Einsatz kommen. Selbst eine Spätburgunder Spätlese ist durchaus üblich.

Zu pikanten Gerichten: Auslese

Wenn ein Winzer eine Auslese machen möchte, dann müssen die Trauben ein Mostgewicht von mindestens 83 Grad Oechsle haben. Das ist schon ziemlich viel Restzucker! Um diesen hohen Wert zu erreichen, ist deswegen Handarbeit gefragt. Die Trauben erntet man ausschließlich mit der Hand. Bevor sie allerdings ins Lesekörbchen wandern, schauen sich die Erntehelfer die Weinbeeren in der Traube ganz genau an. Sind da unreife oder beschädigte Beeren mit dabei, werden diese einzeln entfernt. Sie werden also ausgelesen. Womit Sie jetzt auch wissen, woher der Prädikatswein Auslese seinen Namen hat.

Botrytis-Beeren sind bei einer Auslese übrigens ausdrücklich erwünscht. Sie sorgen für noch mehr Tiefe und Komplexität im fertigen Wein. Hinzu kommt das raffinierte Zusammenspiel von Süße und Säure – köstlich! Winzer bauen ihre Auslesen sehr gerne halbtrocken oder lieblich aus. Das macht sie dann zu einem idealen Begleiter von fruchtigen Desserts oder sehr reifen Käsesorten. Sie mildern aber auch ideal die Schärfe eines feurigen Currys oder Thai-Gerichts!

Süße Verführung: Beerenauslese

Während bei der Auslese einzelne Beeren sorgfältig aus einer Traube herausgelesen werden, geschieht bei der Beerenauslese (kurz BA) das genaue Gegenteil. Sprich: Die Winzer verwenden hier nicht die ganze Traube, sondern nur einzelne Weinbeeren. Handarbeit ist damit auch hier Pflicht. Bevorzugt werden in diesem Fall vor allem Beeren, die mit Botrytis befallen sind. Und das aus einem guten Grund. Denn man braucht ein Mindestmostgewicht von 110 Grad Oechsle für den Prädikatswein Beerenauslese. Nur mit gesunden Trauben wäre dieser Wert nicht zu erreichen. Die Menge der Botrytis-Beeren muss also schon beträchtlich sein.

Jede Beere einzeln dafür auszulesen, ist eine sehr, sehr mühsame Arbeit. Aber eben auch eine Arbeit, die sich lohnt. Denn das Ergebnis ist ein Prädikatswein, der sich als Geschmacksexplosion an den Gaumen schmiegt. Eine Beerenauslese wird aufgrund des hohen Restzuckers übrigens ausschließlich süß ausgebaut. Riesling ist die bevorzugte Rebsorte, es gehen aber auch alle anderen Rebsorten, die eine dünne Beerenschale haben. Dadurch kann der Botrytis-Pilz besser eindringen und seine Enzyme einimpfen, die dann für die verführerischen Honig-Nuancen sorgen.

Zuckersüße Krönung: Trockenbeerenauslese

Wenn Botrytis eine Weintraube dermaßen großflächig befällt, dass sämtliche Beeren bereits völlig verschrumpelt und vertrocknet erscheinen, dann bricht die majestätische Zeit der Trockenbeerenauslese an, die auch schlicht als TBA bekannt ist. Für diesen Prädikatswein sind 150 Grad Oechsle das obligatorische Minimum an Mostgewicht. Viele TBAs übertreffen diesen Wert aber um ein Vielfaches.

Mit der Trockenbeerenauslese sind wir im Genuss-Olymp der Prädikatsweine angekommen. Kandierte Früchte, Honig und Rosinen-Anklänge dominieren hier Nase und Gaumen. Im gereiften Zustand werden diese Aromen noch intensiver und komplexer. Hinzu kommt ein fantastisch ausbalanciertes Süße-Säure-Spiel.

Eine Trockenbeerenauslese kann eine kleine Ewigkeit reifen. Zwanzig, dreißig oder mehr Jahre sind gar kein Problem. Allerdings sind TBAs sehr selten. Denn die Bedingungen für die Trauben und den Botrytis-Pilz müssen einfach perfekt sein. Hinzu kommt, dass hier auch enorm viel Handarbeit gefragt ist. Beides zusammen macht eine Trockenbeerenauslese zu einer Seltenheit – und teuer. Aber das ist sie eben auch mehr als wert.

Besonderer Prädikatswein: Eiswein

Seit 1982 steht der Eiswein bei den Prädikatsweinen eigentlich auf einer Stufe wie die Auslese. Weil hier nur ein Mindestmostgewicht von 110 Grad Oechsle erforderlich ist. Zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis wird dieser Wert bei Weitem übertroffen! Um einen Eiswein zu machen, lassen Winzer eine bestimmte Anzahl Trauben bis weit in den Winter hinein am Rebstock hängen. Sobald es in der Nacht dann mindestens -7 Grad kalt ist, werden die gefrorenen Trauben geerntet und auch noch im gefrorenen Zustand direkt gepresst. Dadurch konzentrieren sich die Aromen und der Zucker derart stark, dass man einen göttergleichen Nektar vergären kann.

Das Besondere: Bei einem Eiswein hat Botrytis nichts zu suchen. Es dürfen ausschließlich vollkommen gesunde Beeren verwendet werden, die nicht von dem Edelpilz befallen wurden. Ein Eiswein kann so süß wie eine Trockenbeerenauslese sein, schmeckt aber wegen der komplett fehlenden Botrytis komplett anders. Hier steht die Reinheit der Rebsorte komplett im Vordergrund. Eisweine sind im deutschen System der Prädikatsweine eine echte Rarität. Denn bis eine Traube gefroren ist, kann viel passieren. Sie kann am Rebstock aufgrund von zu viel Regen verschimmeln oder aber von Tieren gefressen werden. Auch kommt es vor, dass es in der Region selbst im Februar des nächsten Jahres noch nicht kalt genug ist. Die Weinbeeren frieren dementsprechend nicht ein. Für einen Winzer ist es deswegen ein sehr hohes Risiko, einen Eiswein zu machen. Aber wenn es funktioniert, dann kann einen Prädikatswein anbieten, der so komplex und rein ist, dass ihn niemand, der ihn verkosten durfte, jemals wieder vergessen wird.

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