Es ist eines der bekanntesten Bordeaux-Weingüter überhaupt und sorgt mit seinem ebenso langlebigen wie dichten und komplexen Grand Vin regelmäßig für Furore. Die Rede ist natürlich von Château Latour. Warum hat das Erste Gewächs von Château Latour aber solch einen Kultstatus? Und was sind die besten Jahrgänge? Und wie viel ist das Château Latour eigentlich wert? All diesen und weiteren Fragen widmen wir uns jetzt.

1. Wo befindet sich das Château Latour?

Am linken Ufer der Gironde, in der Bordeaux-Region Médoc, befindet sich die gerade einmal 900 Hektar Rebfläche umfassende Appellation Pauillac. Hier, im äußersten Nordosten, quasi an der Grenze zur Appellation Saint-Julien, findet man das Château Latour mit seinen 80 Hektar umfassenden Weingärten. Das Herzstück des Weinguts ist dabei eindeutig der knapp 50 Hektar große Weingarten l'Enclos, der nur ein 300 Meter vom Ufer der Gironde entfernt liegt und komplett von einer Steinmauer umgeben ist, die für ein ganz besonderes Mikroklima sorgt. Die Böden sind hier von Kies geprägt. Ein idealer Untergrund – vor allem für Cabernet Sauvignon. Diese Rebsorte macht dann auch mit 75 Prozent den Großteil der Bepflanzung aus – gefolgt von 20 Prozent Merlot, vier Prozent Cabernet Franc und einem Prozent Petit Verdot.

2. Wie kam das Château Latour zu seinem Namen?

Im Bordeaux war es eigentlich von jeher üblich, dass ein Weingut nach dessen Besitzer benannt ist. Doch das Château Latour ist hier tatsächlich eine Ausnahme. Denn das Land, das heute zum Weingut gehört, wurde bereits im frühen 14. Jahrhundert landwirtschaftlich genutzt. Um sich während des Hundertjährigen Kriegs besser vor Angriffen vom Fluss aus schützen zu können, baute man im späten 14. Jahrhundert auf genau diesem Land einen Festungsturm, den man La Tour en Saint-Maubert nannte. Und daraus leitete dann Alexandre de Ségur im Jahr 1716 den Namen des Weinguts ab, als er es offiziell gründete. Château Latour.

3. Gibt es den Turm noch?

Leider existiert der Festungsturm aus dem 14. Jahrhundert nicht mehr. Wenn es ihn noch geben würde, stünde er jetzt übrigens direkt im Rebenmeer der Lage l’Enclos. Doch im frühen 17. Jahrhundert errichtete man auf dem Gut, aus dem sich später das Château Latour entwickeln sollte, einen Rundturm und taufte diesen auf den Namen La Tour de Saint-Lambert. Allerdings war der Turm mit seiner Rundkuppel bereits damals optisch nicht ganz so attraktiv wie das Original. Deswegen ziert nach wie vor ein Bild des alten Turms das Etikett des Grand Vins.

4. Was ist das Besondere an dem Grand Vin von Château Latour?

Gemeinhin gilt der Grand Vin von Château Latour als einer der dichtesten, komplexesten und langlebigsten Rotweine der Welt. Tatsächlich braucht dieses Erste Gewächs mindestens 15 Jahre, bevor es überhaupt sein volles Potenzial entfaltet. Dieser Umstand ist nicht nur dem hohen Anteil an Cabernet Sauvignon zu verdanken, der die Cuvée zu mindestens 90 Prozent dominiert, sondern auch dem ausgeklügelten Barrique-Ausbau.

Infolgedessen präsentieren sich auch ältere Jahrgänge mit einer beeindruckenden Lebendigkeit. Bei mehreren Gelegenheiten haben wir einige ältere Jahrgänge von Latour verkostet. Der 1928er ist immer noch ein Wein in Bestform. Der 1959er und der 1961er können noch mindestens 10-20 Jahre halten, hier wird sogar ein Dekantieren empfohlen.

Chateau Latour trifft auch in kleinen Jahrgängen auf Eleganz. Kein Wunder, dass das Gewächs regelmäßig hohe Punkte von der internationalen Weinkritik erhält. Allein Robert Parker vergab für seinen Wine Advocate mehrmals die ebenso legendären wie raren 100 Punkte!

5. Warum ist der Grand Vin von Château Latour so berühmt und teuer?

Man könnte meinen, dass der Erfolg von Château Latour im Jahr 1855 begann. Denn damals erfolgte anlässlich der Weltausstellung in Paris die bis heute gültige Klassifikation besonders herausragender Bordeaux-Weingüter im Médoc. Als einer von nur vier Betrieben erhielt das Château Latour damals den Status eines Premier Cru Classé. Fakt ist aber, dass das Weingut zu diesem Zeitpunkt bereits eine weltberühmte Legende war. Diesen Umstand hat es niemand Geringerem als Thomas Jefferson zu verdanken. Der passionierte Weinkenner und spätere Präsident der Vereinigten Staaten bestätigte den Weinen von Château Latour in einem Brief vom 24. Mai 1787 nämlich den Rang eines Premier Cru. Also lange bevor diese Klassifikation überhaupt eingeführt wurde. Und obwohl Château Latour damals in Sachen Wertschätzung und Prestige etwas hinter dem Château Lafite rangierte, änderte es nichts daran, dass allein dieses Lob dafür sorgte, dass die Latour-Weine um das Jahr 1800 zwanzigmal so teuer als andere Bordeaux-Gewächse waren.

Aber auch heute versteht man sich bei Château Latour bestens darauf, das eigene berühmte Image zu pflegen - und von Begehrlichkeiten zu profitieren. Nach eigenen Angaben legt man seit dem Jahr 2005 etwas 40 Prozent des Grand Vins zurück, um diese dann später selbst im gereiften Zustand auf den Markt zu bringen. Zum entsprechenden Preis versteht sich. Bei einer Jahresproduktion von 300.000 Flaschen sind das pro Jahr 120.000 Flaschen, die in den Kellergewölben des Weinguts eingelagert werden. Respekt.

6. Wie bewirtschaftet das Château Latour seine Rebflächen?

Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Château Latour seine Bewirtschaftung vor ein paar Jahren von konventionell auf biodynamisch umgestellt. Statt der Chemiekeule sind in den Weingärten jetzt also Hornkiesel, dynamisierter Kompost und Brennnesseltee Trumpf. Man hat diese Info nach erfolgter Umstellung übrigens bewusst nicht an die Weinpresse gegeben, da man den Nachhaltigkeitsgedanken, der dahintersteckt, nicht als Marketing-Instrument missbrauchen wollte. Sehr ehrenhaft.

Damit ist das Château Latour jetzt also ein Vorreiter in Sachen Biodynamie in Pauillac. Der Pionier-Status ist dem Weingut indes nicht neu. Denn bereits in den 1960er-Jahren schritt man mutig voran, als bei der Vinifikation bewusst auf Gärbottiche aus Holz verzichtete und man stattdessen lieber auf Edelstahltanks setzte, die erst 20 Jahre später in ganz Europa durchsetzen sollten.

7. Was ist das Besondere an dem Zweitwein Forts de Latour?

Normalerweise verwendet man in Bordeaux für den Zweitwein Trauben aus Parzellen mit jungen Reben. Nicht so bei Château Latour. Denn hier verwendet man ausschließlich das Lesegut von Parzellen, die außerhalb der Steinmauern von l'Enclos liegen. Diese Flächen hat man bewusst für den Zweitwein Forts de Latour erstanden, der erstmal 1966 vinifiziert wurde. Auch hier dominiert Cabernet Sauvignon. Allerdings nur mit mindestens 75 statt 90 Prozent. Gärung und Ausbau sind übrigens mit dem Grand Vin identisch. So verwundert es nicht, dass auch der Forts de Latour mit einer tiefen Komplexität und Eleganz zu überzeugen weiß.

8. Gibt es auch einen Drittwein von Château Latour?

Mit dem Pauillac de Latour kreierte man 1990 dann noch einen Drittwein auf Château Latour. Genau hier kommen dann endlich die jungen Reben aus der Lage l'Enclos ins Spiel. Denn diese kommen hier zum Einsatz. Das hört sich jetzt allerdings einfacher an als es tatsächlich ist. Die Reben im l'Enclos sind durchschnittlich 60 Jahre alt – einige Stöcke wurzeln aber auch bereits seit über 100 Jahren dort. Normalerweise pflanzen Weingüter neue Reben parzellenweise. Nämlich immer dann, wenn zu viele Weinstöcke in einer Parzelle zu krank, zu alt oder vielleicht sogar schon tot sind. Genau das macht man bei Château Latour aber nicht. Denn sobald dort eine Rebe im l’Enclos schwächelt, wird diese sofort ersetzt. Eine ebenso aufwendige wie beispiellose Maßnahme. Daraus ergibt sich aber auch die Konsequenz, dass die Erntehelfer für den Drittwein Pauillac de Latour während der Lese ganz schön viel Strecke machen müssen. Denn für dieses Gewächs werden einzelne Reben ganz gezielt gelesen!

9. Wem gehört das Château Latour?

Es ist erstaunlich, dass das Château Latour - zumindest für Bordeaux-Verhältnisse - so lange in der Hand einer einzigen Familie bliebt. Nämlich der Familie de Ségur. Und zwar bis 1963. Noch erstaunlicher: Direkt nach der Gründung im Jahr 1716 kaufte Alexandre de Ségur auch das Château Lafite. Viel Freude an dem doppelten Renommee hatte er allerdings nicht, denn er starb kurze Zeit später. Es war dann sein Sohn Nicolas-Alexandre de Ségur, der dann auch noch das Château Mouton sowie das Château Salon kaufte. Ihm war es dann auch zu verdanken, dass nicht nur der britische Premierminister Robert Walpole, sondern auch König Ludwig XV. die Weine seiner Güter genossen. Ein Umstand, der ihm den Beinamen "Prince des vignes" - "Prinz der Weinreben" einbrachte.

Im Jahr 1963 veräußerten die Ségur-Erben 75 Prozent ihrer Anteile an die beiden britischen Gesellschaften Harveys of Bistros und die Person-Gruppe. 1989 wechselte der Besitz dann an Allied Lyons, bevor er 1993 wieder in französische Hand kam, als François Pinault Château Latour erwarb. Damit wurde das Weingut Bestandteil seines Luxusgüter-Konzerns Pinault-Printemps-Redoute (PPR), zu dem auch Marken wie Gucci oder Puma gehören. Fun Fact: Sollte Pinault das Château Latour jemals wieder verkaufen wollen, dann nur an einen Franzosen. Als Premier Cru Classé hat das Weingut nämlich inzwischen den Status eines nationalen Kulturguts ins Frankreich - und darf damit nicht an Ausländer verkauft werden.

10. Welchen Wert hat das Château Latour?

Diese Frage ist natürlich schwer objektiv zu beantworten, denn jeder Weinliebhaber hat seine Vorlieben. Aber es gibt Jahrgänge, die eindeutig hervorstechen.

Die besten Jahrgänge von Chateau Latour sind: 1928, 1959, 1961, 1982, 1996, 2000, 2009, 2010, 2016, 2018, 2020

Robert Parker vergibt 100 Punkte für 1961, 1982, 2009, 2010, 2016, 2018.

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