Was ist ein Super Toskaner?

Was ist ein Super Toskaner?

Es sind Namen wie Sassicaia, Ornellaia und Tignanello, die nach wie vor wie ein genussvoller Donnerhall durch die Weinwelt schallen. Was diese vinophilen Giganten gemeinsam haben? Es sind allesamt Supertoskaner. Also Weine, die aus der Toskana stammen und die sich einem internationalen Weinstil verpflichtet haben. Und die halt in kein einziges der Toskana-Regelwerke passen. Weswegen sie lange Zeit als einfacher Landwein, also Vino da Tavola, vermarktet werden mussten. Bis sie 1992 mit IGT (Indicazione Geografica Tipica) eine eigene Qualitätskategorie bekamen, die den Verkauf noch einmal kräftig ankurbelte.

Seit den 1970er-Jahren ranken sich extrem viele Mythen um die sogenannten Supertoskaner, die man in Italien sowie international gerne Supertuscans nennt. Von Rebellen und Erneuerern ist da die Rede. Oder von genialen Vermarktern und Pionieren. Wobei die Supertoskaner bis in die 1980er-Jahre hinein noch gar keine Bezeichnung hatten, obwohl sie da bereits seit einer Dekade für Furore sorgten. Höchste Zeit, dass wir uns das Phänomen der Supertoskaner einmal genauer anschauen. Und das nahm an zwei unterschiedlichen Orten in der Toskana zu zwei unterschiedlichen Jahren ihren Anfang. Und trotzdem hängt alles miteinander zusammen.

Tignanello – der erste Super Toskaner?

Tignanello – der erste Super Toskaner?

Nach wie vor gilt der Tignanello, den Marchese Piero Antinori zusammen mit seinem Star-Önologen Giacomo Tachis im Jahr 1974 mit dem Vintage 1971 erstmals auf den Markt brachte, als erster Supertoskaner. Aber das ist so tatsächlich nicht ganz richtig. Ja, der Tignanello ist der erste Rotwein aus der Toskana, der damals sehr medienwirksam gegen die Chianti-Statuten verstieß und sich voller Stolz als einfacher Tafelwein bezeichnen ließ – wohl wissend, dass die Qualität in der Flasche alles andere als einfach war. Damals musste ein Chianti zu mindestens 70 Prozent aus Sangiovese bestehen. Antinori und Tachis setzten diesen Prozentsatz jedoch herunter und fügten zudem auch noch Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc hinzu. Also zwei Rebsorten, die für einen Chianti nicht zugelassen sind. Und dann bauten sie den Wein auch noch im Barrique aus.

Mehr Regelverstöße hätte man mit einem Wein nicht machen kann. Diese kamen dann auch noch ausgerechnet von einem Mitglied der angesehensten Weinfamilie Italiens. Antinori setzte das als „junger Wilder“ also ziemlich viel aufs Spiel. Doch er hatte aufs richtige Pferd gesetzt. Denn Kritiker wie Weinliebhaber auf der ganzen Welt feierten diesen einfachen Tafelwein wie einen waschechten Superstar. Diese Tiefe! Diese Komplexität! Diese Vielschichtigkeit! Jeder wollte plötzlich den Tignanello im Glas haben. Aufgrund dieses extrem schnellen Ruhms wird der Tignanello bis heute als erster Supertoskaner gehandelt. Dabei begann die Geschichte dieser außergewöhnlichen Weine bereits im Jahr 1944 bei einem Verwandten von Marchese Piero Antinori.

Super Toskaner – wie alles wirklich begann

In der Maremma, also dem Küstengebiet der Toskana, hatte Marchese Mario Incisa della Rocchetta im Jahr 1944 ein Problem. Aufgrund des Zweiten Weltkriegs gab es in ganz Italien die von ihm so heiß geliebten Bordeaux Weine nicht mehr zu kaufen. Und der Vorrat in seinem eigenen Weinkeller schrumpfte und schrumpfte. Also beschloss der Marchese kurzerhand, seinen eigenen Bordeaux zu machen. Nur eben hier, an der Küste der Toskana, wo seiner Meinung nach das Terroir sehr ähnlich zu dem von Graves in Bordeaux war. So verwegen, wie der Plan auf den ersten Blick aussah, war er übrigens nicht. Denn Mario Incisa della Rocchetta war mit einer anderen Adelsfamilie verwandt, die sich sehr gut mit dem Weinmachen auskannte. Die Marchesi Antinori.

Er bekam also genügend Unterstützung, als er auf der Hügelkette zwischen Bibbona und Castagneto im heute als Bolgheri bekannten Anbaugebiet die ersten Weingärten mit den beiden Rebsorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc anbaute. Und zwar in der Lage namens Sassicaia - benannt nach den vielen kleinen Steinen (italienisch: sassi) die auf den von Lehm und Kalkstein geprägten Böden lagen. In den 1940er- und 1950er-Jahren war der Sassiscaia aber noch nicht der glorreiche Supertoskaner-Star, der er heute ist. Denn Marchese Mario Incisa della Rocchetta machte ihn ausschließlich für den eigenen Genuss.

Der erste Sassicaia kommt auf den Markt

Der erste Sassicaia kommt auf den Markt

Aber Moment mal! Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc? Sind das nicht auch die beiden Rebsorten, die den Tignanello von Piero Antinori so einzigartig machten? Richtig. Denn Antinori bekam den Sassicaia natürlich auch irgendwann bei seinem Onkel ins Glas – und war begeistert. Damit inspirierte der Sassicaia sozusagen den Tignanello. Nur, dass in dem Antinori-Wein eben auch noch Sangiovese mit drin war – also die große Traube der Toskana. Im Jahr 1968 überzeugte Piero zusammen mit seinem Cousin Nicolò den Onkel dann, dass der Sassicaia unbedingt auch anderen Menschen zugänglich gemacht werden müsste. So kam der Jahrgang 1968 dann erstmals 1971 auf den Markt. Also genau in dem Jahr, als sein Neffe Piero Antinori zusammen mit seinem Önologen Giacomo Tachis die erste Ernte für den Tignanello in den Keller brachte.

Und ja, der Sassicaia sorgte auch für Aufsehen. Allerdings nicht für so viel wie der Tignanello. Denn der Marchese Mario Incisa della Rocchetta war weit über die Grenzen Italiens hinaus eher für den Pferderennsport bekannt denn für Wein. So gehörte ihm zum Beispiel der legendäre Hengst Ribot, der unzählige Pferderennen gewann. Dementsprechend stand der Wein bei den Kritikern nicht ganz so im Fokus. Man erkannte die Qualität und auch den großen Unterschied zu den Sangiovese-Gewächsen wie Chianti, Vino Nobile oder Brunello, konnte den Wein aber noch nicht so recht einordnen.

Unschlagbares Duo: Sassicaia und Tignanello

Das änderte sich dann aber 1974 mit einem Schlag, als eben der 1971er Tignanello erstmals auf den Markt kam. Sofort erkannten die Weinexperten die Parallelen zwischen den beiden Weinen. Toskana-Weine, die eben keine sind, weil sie sich dem französischen Stil aus dem Bordelais verpflichten und damit internationales Flair in die recht ramponierte Weinregion brachten. Brunello und Vino Nobile hatten zwar auch in den 1960er- und 1970er-Jahren ein gewisses Standing, aber Chianti-Weine wurden zu dieser Zeit einfach nicht mehr ernst genommen. Dafür waren damals die Qualitäten viel zu schlecht.

Sassicaia und Tignanello führten nach und nach zu einem kompletten Umdenken in der Region. Und zwar in mehrere Richtungen. Aufgrund des großen kommerziellen Erfolges baute man jetzt vor allem an der Küste der Toskana internationale Rebsorten an. Nach Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc folgten auch Merlot, Syrah oder Petit Verdot. Man wollte auch diesen internationalen Stil produzieren, der bei den Weinkennern so gut ankam. Dafür nahm man auch gerne in Kauf, dass die Weine dann keinen hochwertigen Qualitätsstatus hatten, sondern als einfache Landweine abgefüllt werden mussten.

Und was ist mit dem Vigorello?

Zugleich gab es aber auch eine andere Bewegung in der Toskana. Denn zeitgleich mit dem Sassicaia kam 1971 der Vigorello 1968 auf den Markt. Auch dieser durfte sich nur Landwein nennen. Allerdings aus anderen Gründen. Enzo Morganti, Betriebsleiter der Tenuta San Felice, verwendete für den Vigorello nämlich 100 Prozent Sangiovese. Das war laut Chianti-Statuten damals aber ebenso verboten! Während die einen gar keinen (Sassicaia) oder eben zu wenig (Tignanello) Sangiovese verwendeten, war es beim Vigorello zu viel. Verrückte Weinwelt!

Auch der Vigorello fand viel Beachtung, doch er wurde in seiner Bedeutung komplett anders interpretiert. Während die Landweine mit wenig oder gar keinem Sangiovese den Toskana-Winzern plötzlich das Geschmackstor zur großen, weiten Welt öffneten, lehrte der Vigorello der Welt, dass Sangiovese nun einmal der besondere Traubenschatz der Region ist. Er machte wie kein anderer zu seiner Zeit die Herkunft schmeckbar. Auch das hatte Auswirkungen auf die Region. Denn plötzlich gaben sich viele Winzer mit ihrem Chianti wieder richtig Mühe, um bessere Qualitäten auf die Flasche zu bekommen.

100 Prozent Sangiovese für Chianti – dank Supertoskaner

Nach und nach wuchs so auch wieder das Chianti-Renommee. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum man den Vigorello dann auch offiziell wieder ins Chianti-Gebiet eingemeindete. Mit 100 Prozent Sangiovese durfte er sich ja so nicht nennen. 2006 kam es aber zu einer Änderung der Produktionsregeln. Auch ein reinsortiger Sangiovese durfte sich nun wieder Chianti oder Chianti Classico nennen. Und diese beiden Weine haben eben nicht nur eine geschützte geografische Angabe, wie es bei den Supertoskanern der Fall ist, sondern eine geschützte und garantierte Ursprungsbezeichnung – was man an der Banderole am Flaschenhals mit den drei Buchstaben DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) auf den ersten Blick erkennt.

Leonardo Bellacini, der Nachfolger von Enzo Morganti bei der Tenuta San Felice wollte den Status Supertoskaner allerdings nicht verlieren – auch wenn man damit bei Weitem nicht den Erfolg hatte wie Rocchetta oder Antinorie. Nach der Gesetzesänderung verbannte er deswegen Sangiovese aus dem Vigorello und setzte fortan auf einen gängigen Bordeaux-Blend, den er mit der urtoskanischen Rebsorte Pugnitello kombinierte. Ein interessanter Schachzug, doch trotzdem machte das den Vigorello nicht zu einem der Supertoskaner-Giganten. Bis heute weiß man die Verdienste von Enzo Morganti für die Rebsorte Sangiovese sehr zu schätzen. Es wird aber nach wie vor sehr strittig darüber diskutiert, inwiefern der Önologe für den Erfolg der Supertoskaner mitverantwortlich ist. Oder ob die Lorbeeren einzig an Rocchetta und Antinori gehen sollten.

Bolgheri wird Supertoskaner-Hotspot

Nachdem Sassicaia und Tignanello in den 1970er-Jahren derart große Triumphe feierten, liest es sich in der Geschichte der Supertoskaner immer so, als wären direkt viele Winzer auf den Erfolgszug aufgesprungen. Was ja auch stimmt. Allerdings nicht sofort. Der Fall von einem Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung zum einfachen Landwein war vielen Winzern dann doch etwas zu gewagt. Und eh: Einen kommerziellen Erfolg konnte ihnen ja auch niemand garantieren! Mal ganz davon abgesehen, dass man sich nicht sicher war, ob in der Maremma, also rund um Bolgheri, um genau zu sein, die internationalen Trauben tatsächlich derart zur Hochform auflaufen würden, wie es Marchese Mario Incisa della Rocchetta nicht müde wurde zu betonen.

Einzig und allein der Neffe des Marcheses, Lodovico Antinori (ja, noch ein Antinori!), traute sich und bestockte 1981 einige Weinberge seiner Tenuta dell'Ornellaia mit Cabernet Sauvignon und Merlot. Sie ahnen es vielleicht: Auch der Ornellaia ging durch die Decke - qualitativ wie preislich - und zählt bis heute zu den großen Supertoskanern erster Klasse. Als der 1985er Sassicaia dann auch noch erstmals die legendären 100 Parker-Punkte erhielt, gab es auch für andere Winzer-Größen Italiens kein Halten mehr. Mit großen Baggern wurden die Hügel zu Weinbergen umfunktioniert. Die Hektarpreise im Bolgheri explodierten förmlich, nachdem sich zum Beispiel Angelo Gaja, der Önologie-Star aus dem Piemont, mit seinem Weingut Ca’Marcanda hier niederließ. Ebenso wie die Folonari-Familie, die einen Ableger ihres Weinguts Ruffino baute, das bereits im Chianti, Chianti Classico sowie in Montepulciano mit seinen Kreszenzen von sich reden machte.

Warum das Bolgheri für internationale Rebsorten ideal ist

Das Bolgheri mag das Epizentrum der Supertoskaner sein. Rein faktisch dürfen diese Gewächse aber überall in der Toskana produziert werden. Bis heute gibt es für Supertoskaner kein eigenes Regelwerk. Man hat sich aber auf bestimmte Merkmale geeinigt, die für solche Weine typisch sind. Das fängt bei den internationalen Rebsorten an und hört beim konsequenten Barrique-Ausbau auf.

Neben Sassicaia, Tignanello und auch Ornellaia gibt es bis heute viele weitere bekannte Supertoskaner, die echten Kultstatus haben. Dazu gehören zum Beispiel Solaia, Le Pergole Torte, Masseto, Solengo, Guado al Tasso, Biserno und natürlich Gusto di Notri. Was sie alle eint, ist ihre stilistische Internationalität, ihre Komplexität sowie ihre beeindruckende Langlebigkeit. Zudem werden diese Supertoskaner regelmäßig von der Weinkritik gefeiert und mit einem wahren Punkteregen bedacht. Genau das hat ihnen dann auch ihren Kultstatus eingebracht. Supertoskaner gehören zu den großen Stars der Weinwelt.

Was zeichnet einen Supertoskaner aus?

Das Bolgheri mag das Epizentrum der Supertoskaner sein. Rein faktisch dürfen diese Gewächse aber überall in der Toskana produziert werden. Bis heute gibt es für Supertoskaner kein eigenes Regelwerk. Man hat sich aber auf bestimmte Merkmale geeinigt, die für solche Weine typisch sind. Das fängt bei den internationalen Rebsorten an und hört beim konsequenten Barrique-Ausbau auf.

Neben Sassicaia, Tignanello und auch Ornellaia gibt es bis heute viele weitere bekannte Supertoskaner, die echten Kultstatus haben. Dazu gehören zum Beispiel Solaia, Le Pergole Torte, Masseto, Solengo, Guado al Tasso, Biserno und natürlich Gusto di Notri. Was sie alle eint, ist ihre stilistische Internationalität, ihre Komplexität sowie ihre beeindruckende Langlebigkeit. Zudem werden diese Supertoskaner regelmäßig von der Weinkritik gefeiert und mit einem wahren Punkteregen bedacht. Genau das hat ihnen dann auch ihren Kultstatus eingebracht. Supertoskaner gehören zu den großen Stars der Weinwelt.

Wie die Supertoskaner zu ihrem Namen kamen

Wie die Supertoskaner zu ihrem Namen kamen

Genau das bringt uns jetzt aber nahtlos zu einer letzten Frage. Nämlich woher die Bezeichnung Supertoskaner überhaupt stammt. Sie werden lachen: Das lässt sich tatsächlich nicht eindeutig benennen. Fest steht, dass der Begriff aus den Vereinigten Staaten stammt. Gerne wird die Wortkreation Supertoskaner dem Kritiker-Guru Robert Parker in die Schuhe geschoben. Er hat den Begriff während seiner aktiven Kritikerzeit sehr oft verwendet – und damit entscheidend mitgeprägt.

Es kann aber auch genauso gut sein, dass Parker die Bezeichnung von einem seiner schreibenden Kollegen übernommen hat. Jedenfalls beansprucht er bis heute nicht, Schöpfer dieser Wortkreation zu sein, die er Mitte der 1980er-Jahre erstmals verwendete. Letztlich durchgesetzt hat sich der Name Supertoskaner für diese außergewöhnlichen Toskana-Weine dann übrigens Ende der 1980er-Jahre, als Parker dem 1985er Sassicaia seine legendären 100 Punkte gab. Inzwischen folgten viele, viele weitere Höchstbewertungen. Nicht nur für den Sassicaia, sondern auch für zahlreiche andere Supertoskaner. Was sie nach wie vor zu lebenden Legenden macht.

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